… der Süden Indiens und auch ein Abschied

12.11. – 6.12. Varkala

Meer, Strand, Sonne. Ein rotes Kliff grenzt die Stadt zum Meer ab. Auf dem Kliff gibt es Läden für das Nötigste, Restaurants und Cafes. Wir verbringen die heiße Tageszeit mit Reisevorbereitungen, Zeichnen oder Lesen. Spätnachmittag springen wir in die Wellen.

Varkala city
Varkala
Varkala beach

 

Varkala people
Prinzessin mit Vater

 

unsere Lieblingszeit

 

die Farben Indiens

Hier machen wir Bekanntschaften, auch Bekanntschaft mit der indischen Mentalität, die da heisst : draufhalten.
Wir erlebten einige Situationen, in denen die Inder einen anderen Verhaltensmodus haben als Westler. Wenn man sich durchsetzen muss (wie Zugtickets kaufen, in den Zug ein- und aussteigen, Sitzplätze ergattern, Rickschas entern) wird mit vollem Körpereinsatz und ohne Rücksicht auf Andere gekämpft. Ist die jeweilige Situation vorüber, begegnet man sich, egal wie erfolgreich man aus dem Gemetzel hervorgegangen ist, mit freundlichem, gelassenem Kopfwackeln. Sekunden später. Als sei alles nur Spass gewesen.

Ein weiteres Beispiel für draufhalten:
Es gibt ein Strandstück auf dem es Touristinnen erlaubt ist, im Bikini (nicht im Kleid) zu schwimmen. Für indische Männer eine große Attraktion. Sie stehen in großen Gruppen am Meeresrand beobachten Touristinnen im Wasser, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben.

fuer Helga
Touristin links!!!

Besonders beliebt sind die Abendstunden, wenn Touristinnen sich umziehen. Für Inder ist die angemessene Distanz eine andere als für uns (draufhalten!!). So stellen sich indische Männergruppen DIREKT an das Handtuch der jeweiligen Touristin, die sich umzieht, um bei dieser umständlichen Aktion ein unerlaubtes Stückchen Haut zu erspähen.

da muss ein prachtstueck an touristin kommen
erste Erfahrungen

Auch die vielen westlichen Frauen, die am Strand oder auf den Felsen sitzen um zu meditieren sind ein beliebtes Fotomotiv für indische Männer. Westliche Frauen sitzen in rauhen Mengen mit Yogaklamotten im Meditationssitz und geraden Rücken und geschlossenen Augen (da kann man draufhalten!!!) am Strand. Der Typus Inder, der auch am Touristinnenstrand abhängt ist auch hier. Er zückt seine Mobiltelephonekamera, die wohl keinen Zoom hat, kraxelt über die Felsen direkt zum Fotomotiv und fotografiert.

Natürlich sind nicht alle so. Zum Beispiel sind da unsere Künstler. Wir lernten Roshan und Razaq im Tempel Cafe (nichts religiöses, heißt nur so) kennen. Ich zeichnete. Razaq, der Maler, sah zu, nahm sich meine Stifte und Papier und malte auch. So verbrachten Roshan, der Musiker, Razaq der Maler und wir einen sehr vergnüglichen Nachmittag. Der Musiker meinte, wir sollten in Kontakt bleiben, um Sufferings, Pain und Happiness zu teilen.

Roshan

Roshan gibt viele Konzerte in der Gegend. Eines Abends entschlossen wir uns, sein Konzert zu besuchen. Wir nannten dem Taxifahrer den Ort, in dem das Konzert stattfand und verabredeten Roshan anzurufen, wenn wir da seien. Wir fuhren über eine Stunde (indische 5 min.), kamen an, dann..wohin?? Roshan war nicht zu erreichen. Ein Einbeiniger, der seine Ware zum Verkauf auf der Strasse ausbreitete, wusste: die Musiker wohnen in einem Resthouse, Name, Adresse. Tatsächlich fanden wir die Musiker dort. Wir wurden warmherzig begrüßt und vorgestellt. Eine gemeinsame, längere Fahrt brachte uns zum Konzertsaal. Das Publikum saß in Stuhlreihen im Dunklen und wartete bereits. Ausnahmsweise waren hier auch einige indische Frauen zu sehen. Außer uns waren keine Touristen anwesend. Uns umfing eine Athmosphere wie indischer Themenabend der Theatergemeinde, oder Abonnementabend im Gärtnerplatztheater, Lesung im Werkraumtheater – eine Mischung aus all dem – indisches Bildungsbürgerpublikum, interessiert, tolerant und moralisch sattelfest. Wir, die Fremden, wurden höflichst mit lächelndem, mit vielfältigem Kopfwackeln begrüßt.
Untertitel wäre gewesen:
Wir freuen uns, dass auch deutsche Gäste den Zugang zu klassischer indischer Musik finden.

Wir wussten ja noch nicht, was auf uns zukommt. Diese Konzerte sind sehr sehr lang. Die vorgestellte klassische indische Musik ist sehr sehr beruhigend. Unser ungeschultes Gehör konnte den Unterschied zwischen den Stücken nicht erkennen.

Ich beobachtete, wie Markus nach der ersten Stunde die Augen zufielen. Neben mir spielte ein kleiner Junge Playstation. Dann fielen auch mir die Augen zu. Ich wachte auf, weil ich ein glückliches Kichern neben mir hörte. Der kleine Junge war sehr aufgeregt, weil die Kameras für die Fernsehaufzeichnung auf uns gerichtet waren, ohne zoom natürlich, sondern aus kürzester Entfernung. Er wollte mit ins Bild. Wie peinlich! Touristen schlafen bei dem Konzert ein. Das Konzert eines Freundes auch noch. Der Junge neben mir kniff seine Augen zusammen, um uns zu bedeuten, wir sollen wieder so lustig schlafen. Wann immer ich in seine Richtung sah, kniff er die Augen zusammen und kicherte. Wir aber saßen mit weitaufgerißenen Augen die restlichen Stunden des Konzertes da. Wir wurden auch noch öfter gefilmt, ganz nah, versteht sich.

Eine Frau, die uns viel über Indien, die Gesellschaft, Regeln, Ordnungen hier, über die Heiligen und weniger Heiligen erzählte, möchte ich euch vorstellen:

Maria

Sie hat in Varkala einen Kosmetiksalon und heißt Surdan alias Maria. Sie ist eine kluge, warmherzige Frau, die auch richtig lachen kann. Ich habe sie in mein Herz geschlossen.

Jedesmal inspirierte Maria uns zu Ideen. Zum Beispiel hat sie sich für ihren Salon eine Werbeplane aus Plastikmaterial bedrucken lassen. Das nennt sich hier Flexi Board. Halb Kerala ist damit zugepflastert. Wir haben eine wasserfeste Überdachungsplane für unsere Terrasse in München drucken lassen. Wasseroberflächenprint, 4 auf 3 Meter. Ihr werdet sehen.

Diese Plane im Print Shop bedrucken lassen ermöglichte uns wieder einen kleinen Einblick in die indischen Gewohnheiten.

Wie bekannt ist, gibt es hier jede Menge Gurus und Heilige, Ashrams und Kurse für alles. Die meisten Inder stehen dem eher etwas kritisch gegenüber. Ihnen ist es dann wichtiger, dass es einem selber und der Familie finanziell gut geht. Inzwischen werden diejenigen, die viel Zeit im Ashram verbringen, als Leute gesehen, die keine sozialen Verpflichtungen eingehen wollen und nicht die Werte wie Familie und Eltern hochhalten. Der Zulauf kommt hauptsächlich von den Westlern. (Maria: maybe western people have a lot of problems….)

Eine weltweit bekannte indische Heilige aber gibt es, da sind sich alle einig: sie ist wirklich heilig, wirklich ein guter Mensch, wirklich spirituell, hat wirklich besondere Verbindungen ins Universum, besondere Energien der Liebe (platonisch, mütterlich, universell) ob Strandsonnenschirnvermieter oder Hotelbesitzer, unisono: sie ist wirklich heilig. Es gibt sonst hier keine Einhelligkeit zu irgendetwas. Indien ist divers. Nur nicht bei IHR. Ein Phänomen.

Es ist Amma, die Umarmungsheilige.

Amma

Ihr Bild hängt in jedem zweiten Laden – gedruckt auf Flexiboard.

Maria erzählte uns, Amma wäre gerade von einer Tournee heimgekehrt. Sie lebt im Nachbardorf in ihrem Ashram. Ihr Lebenstraum sei es, Amma zu besuchen. Ihr Mann erlaube es ihr aber nicht. Leider erlaubt er überhaupt sehr wenig. Sie darf sich z.B. nicht weiter als ca. 50 Meter von ihrem Salon wegbewegen. Das jeder sich an die Regeln halt, dafür sorgen auch die Nachbarn. Gossip (Tratsch) heisst die soziale Kontrolle. Den Frauen wird schnell ein Verhältnis mit anderen Männern oder sonstiges unterstellt.
Maria aber ist smart, Im Gegensatz zu ihrem Mann spricht sie Englisch und kann mit dem Computer umgehen. So holt sie sich die Welt zu sich.

Aber wir fahren in den Ashram, ohne Maria. Natürlich interessiert uns Amma jetzt brennend.

Ammas Lebenswerk ist bereits beträchtlich. Amma wurde vor 60 Jahren in einem Fischerdorf in Kerala geboren. Dort errichtete sie ihren Ashram. Als Tochter von einem Fischer hat sie geringe Schulbildung. Bereits mit 18 Jahren begann sie, Menschen zu umarmen, die sich daraufhin gut fühlten. Sie handelte sich damit eine Menge Ärger ein, vor allem weil sie auch Männer umarmte. Das war…und ist in der indischen Gesellschaft, die sehr auf Geschlechtertrennung bedacht ist, unmöglich. Mehrere Mordanschläge wurden auf sie verübt. Doch setzte sie sich durch. Sie gründete Krankenhäuser, Schulen, Universitäten, unterstützt Menschen in Not. Egal, was man von ihrer spirituellen Seite halten mag, dieses System an Hilfe zur Selbsthilfe verdient Respekt.
Ihre Organisation heißt „embrace the world“ (www.embracingtheworld.org).

6.12. – 9.12. Ashram von Amma

Willkommen im Ashram.

Der erste Eindruck: ein bunter Kali Tempel mit überlebensgroßen, bunten Figuren. Daneben die Unterkünfte, zwei 15 stöckige Hochhäuser, die einzigen die wir in Indien gesehen haben.

Kali Tempel im Ashram, von oben
Unterkuenfte im Ashram, 15 Stockwerke
Auf dem Dach, ommmshantiommm Gesaenge im Hintergrund

Wir checken ein, alles ist freundlich, durchstrukturiert. Das Zimmer ist einfach, aber sauber und bietet eine fantastische Aussicht über das Meer auf der einen Seite und über die Backwaters auf der anderen Seite (im 11. Stock)!!

Backwaters

Von den zwei (2) Tempeln auf dem Ashram Gelände hören wir die Gesänge fast durchgängig, aber etwas gedämpft nach oben in unser Zimmer dringen „ommmshantiashantiommm … “ Die Athmosphäre ist friedlich und diszipliniert. Es gibt auch Ashram Regeln. Beispielsweise soll man nicht fotographieren, nicht in der Öffentlichkeit telefonieren, rauchen, kein Alkohol etc., etc.. es gibt auch eine Kleiderordnung: Alles möglichst in weiß abdecken.

Der Tagesablauf ist durchstrukturiert: Meditation, Singen, Frühstücken, selbstlos für die Gemeinschaft arbeiten, Mittagessen, selbstlos arbeiten, meditieren, Abendessen, Schalfen.

Das gesamte Angebot kostet 3 Euro pro Tag pro Person, inklusive Zimmer und Ashramfood (es gibt noch ein paar kulinarische Sonderangebote für die Westler für ein geringes Entgelt).

Der vorstrukturierte Alltag, die geringen Kosten und die emotionale Unterstützung von Amma
ziehen viele Menschen an, die psychisch instabil sind. Zumindest wirkt es so, wenn man manche durch den Ashram gespenstern sieht. Manche leben hier dauerhaft, so an die 20 Jahre….vielleicht ist es einfach gut, dass es einen Platz für diese Menschen gibt.

Wir haben auch einige sehr liebenswürdige, interessante und heitere Leute bei Amma kennengelernt. Das hat unseren Aufenthalt im Ashram durchsonnt. Wir haben alle Angebote wahrgenommen, so auch die selbstlose Arbeit. Sie hält den Ashram am laufen und soll uns helfen, egoistische Verhaltensweisen abzugewöhnen. Tatsächlich selbstlos für eine grössere Gemeinschaft zu arbeiten, ohne dass Geld, Anerkennung oder Zwang im Spiel sind ist ja für uns weitgehend nicht ueblich.
Auch für uns eine interessante Erfahrung:
Wir haben Pizza gemacht, einige Stunden. Anfangs hat es einfach Laune gemacht. Wir stellten fest, dass die anderen Pizzahelfer erst viel später kamen. Wir haben also länger selbstlos gearbeitet. Na ja na ja. Manche Pizzahelfer haben auch nur gequatscht, nicht geholfen. Da konnten wir dann bei der selbstlosen Arbeit etwas kleinherziger werden. Manche standen auch nur herum und sahen uns zu, wie wir selbstlos, aber noch mit deutscher Emsigkeit Pizza machten. Das stellte unsere Einstellung, es sei kein Problem für uns selbstlos für die Gemeinschaft zu arbeiten, auf die Probe. War ok, auch hier haben wir sehr unterhaltsame Leute kennengelernt. Und DIE konnten mal sehen, wie ein deutscher ingenieur präzise pizza macht.

Schön auch, dass viele Italiener im Ashram waren. Die Italiener hatten eine herzerfrischende Ignoranz gegenüber der Leisetreter-manier, der stillen Nachdenklichkeit, die im Ashram vorherrschend war. Sie sassen alle zusammen an einem Tisch, sprachen kaum Englisch und verbreiteten Stimmung im Meditationsraum.
Auch die sonst langweilig und assexuell wirkende weisse, weite Ashram Tracht wurde am Italienertisch zu einem modischen Event. Ein bunter, lässiger Schal mit der farblich passenden Armani Brille dazu verwandelt den Amma Jünger wieder in einen Italiener. die italienischen Damen tragen die indische Kleidung sehr figurbetont, lang und weit ausgeschnitten. Dazu auffallende, riesige, einfach äusserst elegante Sonnenhüte und Sonnenbrillen. Nicht zu vergessen die Handtaschen von Gucci und Konsorten. Der restliche mop im Ashram hatte Jutesäckchen._
Bester Stimmung, glücklich und ausgeruht sind wir vom Ashram abgereist.

10.12 – 11.12. Allepy (Backwaters)

Fahrt durch die Backwaters.
Hier sagen Fotos mehr als 1000 Worte

Abschied vom Ashram
Erste Begegnung ausserhalb des Ashrams

Mit dem Schiff durch die Backwaters

Happiness
Fischernetze
Boot??
Boote??
Wasserspiegelung

Mit dem Kanu durch die Backwaters.

Unser Bootsmann
Wasserspiegelung

auf dem Kanu

das Venedig Indiens

12.12. Kochi

Wir haben uns durchgesetzt. Wir haben uns ein Zugticket und einen Sitzplatz im Zug nach Kochi ergattert. Das hätten wir vor einem Monat noch nicht geschafft.
Kochi, eine touristische, wunderschöne, lebendige Stadt. Wir kamen am Tag der Eröffnung der ersten Biennale von Kochi an. Interessante, sehr moderne Kunst aus aller Welt wurde in verschiedenen Gebäuden ausgestellt. Abends waren wir auf einem Hip Hop Konzert, das sehr laut war und der Völkerverständigung dienen sollte. Englische Mädchen lieferten eine schrille, aufreizende und skurille Show, die die indischen Männer hilflos vor der Bühne stehen lies. Die Mädchen auf der Bühne waren irgendwann auch hilflos. Indische Frauen dürfen nicht zu solchen Events.

So, jetzt sitzen wir im Flieger nach Sri Lanka.

Good bye, india. Immer schön draufhalten. Danke für alles. Wir haben viel gelernt.